Ukrainische Kochbücher Es muss nicht immer Borschtsch sein – aber wenn, dann so

Borschtsch: Eine Mahlzeit, die auf sehr unterschiedliche Weise zubereitet werden kann
Foto:Natalya Danko / IMAGO
Olia Hercules: Landküche – Traditionelle Rezepte und Geschichten aus der Ukraine
Mit inzwischen drei international erschienenen Rezeptbüchern ist Olia Hercules eine der im Ausland bekanntesten Kochbuchautorinnen mit ukrainischen Wurzeln. Ihre Kindheit verbrachte sie in Kachowka am Dnepr, später studierte sie in London zunächst Italienisch, Russisch und Englisch, lernte an der Leith's School of Food and Wine das Kochhandwerk. Ihre unbändige Freude am Erzählen von Geschichten und an eher einfachen Speisen hat sie sich zum Teil bei Yotam Ottolenghi abgeschaut, als sie in dessen Islington Restaurant als Chef de Partie arbeitete.
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Hercules Idee einer opulenten (352 Seiten) pan-ukrainischen »Landküche« basiert im Wesentlichen auf den Gerichten, die Familien miteinander kochen, wenn sie sich im Sommer in ihren Ferienhäusern treffen. Der Titel »Sommerküche« wäre wohl angemessener gewesen, schließlich erschien das Buch im englischen Original als »Summer Kitchens – Recipes and Reminiscences from Every Corner of Ukraine«.
Die meist ohne große Anstrengung nachkochbaren Rezepte bebildern wunderschön die regionalen und lokalen kulinarischen Eigenheiten von typischen Gerichten aus vielen Regionen des Landes. Der Obsession vieler Ukrainer für säuerlich fermentierte Pickles folgend, beginnt Hercules ihr Buch mit 60 Seiten voller »Eingelegtes und Eingekochtes« in Behälter-Formaten weit jenseits unserer Weck-Gläser.
Neben »Gemüse« sowie »Brot, Nudeln und Klöße« führt das große Kapitel mit Brühen, Suppen und Eintöpfen am besten in die autochthonen Besonderheiten dieser stets seelenwärmenden und vor allem sättigenden Küche ein. Borschtsch wird in seinen vielfältigen Variationen ein eigenes Unterkapitel spendiert. Aber auch die Fischkopf-Einlage in »Fischbrühe mit Dill und Knoblauch-lyok«, die Kuttelsuppe und die »Pilz-Gersten-Suppe mit Essiggurken« gewähren einen tiefen Einblick in die ukrainische Küche. Genau wie der Schweinerippeneintopf Bogratsch, die geschmorte Ochsenzunge und die Schweineohren mit Knoblauch und Paprika. Und natürlich der Süßkram, von der kniffeligen Napoleon-Torte mit Pistazien bis zu Babka-Zöpfen mit Mohn.
Hercules gibt dabei die Zubereitung der Gerichte im Wesentlichen so weiter, wie sie in den Familien des Landes tatsächlich auch gekocht werden. Die ausführlichen Geschichten und persönlichen Beobachtungen zu jedem Rezept sowie die langen Einführungstexte zu den Kapiteln sind informativ und unterhaltsam formuliert. Hier blitzt das Schreibtalent der Autorin durch, die beruflich den Kochlöffel gegen die Computer-Tastatur getauscht hat und unter anderem Rezepte für den britischen »Guardian« schreibt.
Wer braucht das? Jeder, der sich ernsthaft für die regionale ukrainische Sommerküche interessiert und die hierzulande selten gesehenen Gerichte nachkochen möchte.
Typisches Rezept? »Borschtsch mit Entenfleisch und geräucherten Birnen«.
Was kostet das? 29,95 Euro
Preisabfragezeitpunkt
01.04.2023 15.34 Uhr
Keine Gewähr
Jewgen Klopotenko: Ukrajina – Eine kulinarische Liebeserklärung an die Ukraine
Jewgen Klopotenko ist für die moderne ukrainische Koch-Szene so etwas wie eine Mischung aus Jamie Oliver, Tim Mälzer und Steffen Henssler: permanent in Bewegung, omnipräsent auf allen Kanälen von der TV-Kochshow bis Instagram, die Haare stets etwas ungeordnet und insgesamt ein wenig auf die Nerven gehend. Doch ähnlich wie die drei internationalen Vorbilder ist Klopotenko am Herd kein Schlechter. Immerhin hat er in Paris an der renommierten Kochschule Le Cordon Bleu gelernt. In seiner Heimat setzt er sich für gutes Schulessen ein und ist an mehreren Restaurants in Kiew und Lwiw beteiligt.
In Kiew servierte er auch etliche der im Buch rezeptierten Gerichte mit vorsichtig modernisierten und leicht entschlackten Klassikern. Etwa geschmorte Rippchen Vereshchaka, die er mit zwei Versionen des ukrainsichen Fermentations-Klassikers Kwas zubereitet, dem Brottrunk und dem Rote-Bete-Kwas. Ebenso den in Scheiben geschnittenen und mit Unmengen Dill im Essigsud blau pochierten Silberkarpfen und die in Schweinedarm gestopften Kartoffel-Speck-Würstchen.
Das alles wären spannendere Interpretationsversuche, wenn Klopotenko sich nicht immer wieder als einzig wahren Historiker der ukrainischen Kochgeschichte darstellen würde. So beklagt er sich darüber, dass Ukrainer Rote Bete stets in Wasser kochen würden, statt sie das Aroma schonend im Ofen zu backen. In Kombination mit diversen Bemaßungsfehlern in den Rezepten nervt das auf Dauer. Andererseits hat die Umtriebigkeit des Autors auch Vorteile, denn viele der Rezepte finden sich auf Klopotenkos Webseite wieder und werden dort oft mit erhellenden Fotos erklärt. So etwa die Herstellung der Aprikosen-Mohn-Kipferl Kiflyky .
Zu Klopotenkos Ehrenrettung muss gesagt werden, dass die Gewinne aus dem Verkauf der deutschen Auflage dieses Buches komplett an Nothilfe-Organisationen gehen. Zudem hat Klopotenko sein Restaurant in Kiew nach dem russischen Überfall geschlossen und serviert in seinem Bistro in Lwiw nun täglich 350 Essen für Inlandsflüchtlinge. Das Motto dort: Wer Geld hat, bezahlt. Wer bedürftig ist, bekommt die Mahlzeit umsonst.
Wer braucht das? Kreativ denkende Hobbyköche, die ausprobieren wollen, wie man der osteuropäischen Küche die Schwere und Fülle austreiben kann.
Typisches Rezept? »Veganer Borschtsch mit Knödeln und Rote-Bete-Kwas«
Was kostet das? 24,99 Euro
Ukrajina
Preisabfragezeitpunkt
01.04.2023 15.34 Uhr
Keine Gewähr
Olia Hercules: Mamusia – Familienrezepte aus der Ukraine
Dieses ebenfalls von Olia Hercules geschriebene Buch ist in seiner englischen Erstausgabe bereits 2015 unter dem Titel »Mamushka« erschienen. Die erst jetzt in deutscher Sprache verfügbaren Rezepte sind aber nach wie vor aktuell. Angesichts des Krieges in ihrer Heimat entschied sich die Autorin bei der Neuauflage den Titel in ukrainischer Schreibweise drucken zu lassen. Sie sagt: »Als ich im Jahr 2014 dieses Buch schrieb, begann in der Ukraine die Krim-Krise. Damals wählten wir das fiktive Wort ›Mamushka‹ als Titel, so nannten wir meine Mutter. Inzwischen sieht die Welt ganz anders aus. Um die ukrainische Sprache und Kultur zu unterstützen, aber auch um Wahrheit, und nicht Fiktion in den Mittelpunkt zu stellen, möchte ich meinem Debüt-Kochbuch nun einen richtigen, ukrainischen Namen geben: Mamusia, das ukrainische Wort für ›Mama‹«.
An den einfühlsam erzählten und mit zahlreichen Fotos illustrierten Geschichten und Anekdoten zu jedem der gut 100 Rezepte dieses Buches, hat Hercules zum Glück ebenso wenig verändert wie an den Zubereitungsinformationen selbst. Das ist gut, weil sie zwar die wichtigsten Speisen ihrer Heimat vorstellt, über diesen kulinarischen Tellerrand hinweg aber beispielsweise auch in die Küchen in Aserbaidschan, Armenien und Georgien blickt.
Der Rezepte-Reigen beginnt mit dem signature dish schlechthin, dem ukrainischen Rote-Bete-Eintopf Borschtsch. Ihm folgen etwa Sauerampfersuppe und Hammelsuppe mit Kichererbsen aus Aserbaidschan sowie Gebackenes von Pampuschky (Knoblauchbrötchen). Aus der Region Moldau gibt es die Riesenkäseschnecke und aus Georgien Stubenküken mit Knoblauch. Weil die Kochtraditionen der beiden Staaten eng verwoben sind, fehlen auch russische Küchenklassiker wie Soljanka nicht.
Alle Rezepte werden mit authentischen und dennoch nicht altbacken wirkenden Fotos illustriert und sind durch die Bank auch mit hierzulande erhältlichen Zutaten nachkochbar. Schön: mit dem Kauf des Buches kann man ukrainische Flüchtlinge direkt unterstützen – der Verlag spendet den kompletten Verkaufserlös an die Ukraine-Hilfe Berlin e.V.
Wer braucht das? Alle, die von ihren mit diesen Rezepten bewirteten ukrainischen Gästen liebevoll »Mamusia« genannt werden wollen.
Typisches Rezept? »Fleischsuppe mit Graupen und sauren Gurken«.
Was kostet das? 24,95 Euro
Preisabfragezeitpunkt
01.04.2023 15.34 Uhr
Keine Gewähr
Beratung und Mitarbeit: die in Mariupol geborene Food-Stylistin Helena Wolodarski-Buller.