

Kinder befragen Bildungsministerin Warum schmeckt Schulessen so fad?
Dein SPIEGEL, Julie: Ich gehe auf eine internationale Schule mit Kindern, deren Eltern aus der ganzen Welt kommen. Wir sind sehr verschieden, aber ich lerne sehr viel über andere Sitten und Gebräuche. Wie war Ihre Schulzeit?
Stark-Watzinger: Ich war auf einer Mädchenschule in einem kleinen Ort in Hessen und hatte eine tolle Schulzeit. Wir haben viele Streiche gespielt. Einmal wurden wir so lange im Handarbeitsraum eingeschlossen, bis wir das riesige Chaos, das wir angerichtet hatten, wieder aufgeräumt hatten.
Dein SPIEGEL: Wie war es, auf einer Schule nur für Mädchen zu sein?
Stark-Watzinger: Die Jungs gingen auf eine andere Schule im Ort, das fanden wir manchmal blöd. Andererseits hatte ich dadurch ganz viele Freundinnen, und es war ständig etwas los.
Dein SPIEGEL: Hätten Sie sich damals vorstellen können, Ministerin zu werden, oder hatten Sie einen ganz anderen Traum?
Stark-Watzinger: Eigentlich wollte ich Kinderärztin werden oder einen anderen Beruf wählen, in dem man anderen helfen kann. Ich hätte niemals gedacht, einmal Ministerin zu sein.

Lehrermangel, schlechte Ausstattung, ein veraltetes Noten-System – von vielen deutschen Schulen ist mehr Negatives als Positives zu berichten. Dabei könnte es fairer und zeitgemäßer laufen: In der Titelgeschichte des Kinder-Nachrichtenmagazins »Dein SPIEGEL« geht es um Schulen, die gute Beispiele abgeben. Außerdem: Bundesminister Cem Özdemir spricht mit Kinderreporterinnen über Ernährung. Das Magazin gibt es am Kiosk. Eltern können das Heft auch online kaufen:
Dein SPIEGEL: Sie sind Ministerin für Bildung und Forschung und damit auch für Schul-Themen verantwortlich. Aber in Deutschland ist Schule nicht zentral organisiert, sondern die 16 Bundesländer sind jeweils verantwortlich. Was können Sie dann eigentlich genau bestimmen? Und was nicht?
Stark-Watzinger: Über die Lehrpläne, also was in den Schulen unterrichtet wird, entscheidet jedes einzelne Bundesland selbst. Dafür können wir den Ländern helfen, etwa mit dem Digitalpakt. Durch ihn bekommen die Länder Geld, um Technik für Schulen zu kaufen, Online-Unterricht möglich zu machen oder Schülerinnen und Schülern Tablets oder Laptops zu leihen.
Dein SPIEGEL: Wünschten Sie sich manchmal, Sie könnten mehr bestimmen?
Stark-Watzinger: Ja, ich würde gern mehr verändern. Nicht weil ich glaube, dass ich alles besser weiß als die einzelnen Kultusminister in den Ländern. Sondern weil ich mir wünsche, dass es für Schulkinder und ihre Eltern nicht vom Wohnort abhängt, welche Lehrpläne gelten und wie Kinder gefördert werden. Bei den Ländern geht es mir oft zu langsam voran.
Dein SPIEGEL, Julie: Meine Eltern können mir bei den Hausaufgaben helfen, und ich habe auch einen eigenen Computer. Viele Kinder haben das aber nicht. Ihre Eltern müssen lange arbeiten, können nicht gut Deutsch oder haben nur wenig Geld. Welchen Einfluss hat das darauf, wie gut man in der Schule ist?
Stark-Watzinger: Kinder, deren Eltern geringes Einkommen haben oder die deutsche Sprache nicht sprechen, haben es viel schwerer. Das finde ich ungerecht. Deshalb möchte ich gerade diesen Kindern gezielt helfen. Wir wollen Schulen mit vielen benachteiligten Kindern besonders unterstützen, damit es die Schülerinnen und Schüler leichter haben.
Dein SPIEGEL: Wie genau wollen Sie die Chancengleichheit verbessern?
Stark-Watzinger: Rund 4000 Schulen in ganz Deutschland bekommen Geld, um ihre Ausstattung zu verbessern. Dazu gehören auch Sozialarbeiter. Das wird den Kindern sehr helfen, deren Eltern nicht so stark unterstützen können.
Dein SPIEGEL: Die Coronazeit war eine komische Zeit. An unseren Schulen gab es Online-Unterricht. Viele Kinder mussten sich jedoch mit Geschwistern einen Computer teilen oder auf dem Handy lernen. Wieso gab es da nicht mehr Unterstützung?
Stark-Watzinger: Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir 23 von 100 Kindern während der Pandemie nicht mehr richtig erreicht haben, als die Schulen geschlossen waren. Viele Schulen und Familien waren nicht gut ausgestattet. Wir sind v��llig unvorbereitet in diese Zeit hineingestolpert. Es hat sich gezeigt, dass wir viel zu langsam bei der Digitalisierung sind. Deswegen ist es mir wichtig, dass nun die Ausstattung an den Schulen schnell besser wird und auch die Lehrerinnen und Lehrer trainiert werden, um die Technik im Unterricht anzuwenden. Es nützt nichts, wenn wir die Geräte haben, aber keiner sie richtig nutzt.
Dein SPIEGEL, Marlene: Bei uns fallen viele Stunden aus, weil Lehrkräfte fehlen. Das ist zwar cool, weil wir dann Freizeit haben, aber wir verpassen auch einiges. Wir haben dann frei oder schauen Filme. Stimmt es, dass weniger Menschen Lehrer oder Lehrerin werden wollen?
Stark-Watzinger: Es ist ein toller Beruf, aber man muss neben seinen Fächern auch noch einiges können – vor anderen sprechen und gut mit Menschen umgehen. Viele Studierende brechen das Studium ab. Ich glaube, sie sollten ganz am Anfang ihres Studiums schon in einer richtigen Schule mitarbeiten, um zu merken, ob dieser Beruf tatsächlich der richtige für sie ist. Natürlich wäre es gut, wenn mehr Lehrkräfte ausgebildet würden. Das ist allerdings wieder eine Aufgabe, die die Länder lösen müssen.
Dein SPIEGEL: Haben Sie nach Ihrer Schulzeit mal in einer Schulkantine gegessen?
Stark-Watzinger: Ja, als ich in der Schule meiner Töchter im Elternbeirat saß. Wir haben oft über das Kantinenessen gesprochen, wirklich lecker war es nicht.
Dein SPIEGEL, Marlene: Bei uns gibt es nicht mal warmes Essen, sondern nur Kuchen und Brötchen. Könnte nicht jede Schule einen Koch bekommen?
Stark-Watzinger: Das wäre die beste aller Lösungen. Dazu bräuchten die Schulen jedoch mehr Geld, und das Essen dürfte nicht zu viel kosten.
Dein SPIEGEL: Wir haben uns ein paar Ideen überlegt, wie wir Bildung verbessern würden. Wir würden Ihnen zwei davon gerne erzählen.
Stark-Watzinger: Gern, schießt los.
Dein SPIEGEL: Die erste: Schüler sollten selbst entscheiden, wann sie zur Schule kommen, also zum Beispiel um acht Uhr oder zwei Stunden später. Diejenigen, die später kommen, hätten dann länger Schule.
Stark-Watzinger: Ihr wisst selbst, wann ihr gut lernt, das stimmt. Man muss aber auch die Arbeitszeit eurer Eltern bedenken. Und man bräuchte mehr Lehrkräfte, von denen es gerade zu wenig gibt.
Dein SPIEGEL: Die zweite Idee: Jede Schule hat eine Kasse, in die jeder so viel einzahlt, wie er will. Mit dem Geld wird bedürftigen Kinder geholfen.
Stark-Watzinger: Ich fände das gut, aber unter einer Bedingung: Es sollte nicht darüber geredet werden, wer das Geld bekommt. Spenden anzunehmen kann einen beschämen. Über beide Ideen müssten die Schulen selbst entscheiden. Ich bin deswegen dafür, dass die Schulen mehr Freiheit bekommen, selbst zu entscheiden. Aber mehr Freiheit bedeutet natürlich auch, dass Schulen mehr Eigenverantwortung haben.
Dein SPIEGEL: Wenn Sie nur eine einzige Sache an allen Schulen verändern könnten, welche wäre das?
Stark-Watzinger: Ich würde mir wünschen, dass es genug Lehrerinnen und Lehrer gibt, damit keine Stunden ausfallen müssen und sie genug Zeit für die Schüler und Schülerinnen haben.
Dieses Interview erschien in »Dein SPIEGEL« 01/2023.

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